In meinem Post zum Thema IT bei der öffentlichen Hand habe ich mich auf das Thema Gehalt konzentriert. Daraus könnte man schließen, dass ich das für das Wichtigste halte – aber das tue ich keineswegs. Es ist ein notwendiger, aber nicht hinreichender Bestandteil eines Gesamtpakets, und zwar der, der aus meiner Sicht im öffentlichen Dienst am schwierigsten zu ändern ist – deswegen habe ich zunächst dazu etwas geschrieben.
Aber es gibt natürlich noch eine Reihe weiterer Aspekte, die einen Arbeitgeber im IT-Umfeld aus meiner Sicht attraktiv machen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Priorisierung (mit Ausnahme des letzten Punktes) habe ich dazu meine Liste zusammengestellt:
- Ordentliche Ausrüstung (Hardware, Software, sonstige Arbeitsmittel, Ausbildung usw.): In der Regel möchten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Beste, und wenn man sie das vertrauensvoll machen lässt, tun sie das auch. Die wenigsten Leute kommen auf die Idee, Dinge zu bestellen, die abwegig teuer oder beruflich nicht zu rechtfertigen sind. In der Privatwirtschaft kann man immer noch im Nachhinein korrigieren, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Mit Steuergeldern kann man allerdings aus guten Grund nicht so umgehen wie mit privaten bzw. privatwirtschaftlichen Geldern, deswegen wird man im öffentlichen Umfeld vermutlich nie die gleiche Freiheit erzielen können. Aber man kann ein großzügiges Budget und einen einfachen und vor allem schnellen Beschaffungsprozess aufsetzen, indem man einen Rahmenvertrag verhandelt.
- Vernünftige Arbeitsprozesse: Man schafft wenige, klare Rahmenbedingungen und überlässt es größtmöglich autonomen Teams, sich selbst zu organisieren. Man kann dabei einige Grundwerte vorgeben, wie z.B. benutzerfokussierte, von Tests gesteuerte Produktentwicklung, schnelle Zyklen/kurze Iterationen, MVP-Ansätze, stehende, interdisziplinäre Teams mit Ende-zu-Ende-Verantwortung statt kurzfristig zusammengestellten Projektteams. Diejenigen, die die Arbeit machen, wissen am besten, was funktioniert und sollten daran auch gemessen werden.
- Teamübergreifender Austausch: Wissen verbreitet sich am besten, wenn Menschen freiwillig daran interessiert sind. Brown-Bag-Sessions, interne und externe Vorträge, Blogposts, gemeinsame Events, Interessengruppen und Workshops sind nur einige der Mittel, die dabei helfen. Die Energie, die dabei freigesetzt werden kann, ist ein großartiger Motor für Innovation. Die Erlaubnis, öffentlich über die Arbeit zu sprechen, erfordert ebenfalls Vertrauen. Auch hier wird man vermutlich mehr regeln müssen als in der Privatwirtschaft, aber ein Redeverbot ist sicher nicht notwendig.
- Respektvolles Miteinander: Eine diverse, menschliche, freundliche, familienfreundliche, sichere Arbeitsumgebung, in der man sich gegenseitig etwas zutraut, sich hilft, Fehler nicht als Makel empfindet, Dinge offen ansprechen kann, transparent agiert – das mag für manche wie ein idealisierter Traum klingen, ist aber keine Seltenheit. Gerade, wenn man eine Organisation neu aufsetzt, lässt sich so etwas von Anfang an gleich richtig machen.
Es gibt sicher noch viele Aspekte mehr, die ich im Eifer des Gefechts gerade vergesse. Aber ein letzter Punkt ist mir noch besonders wichtig:
- Sinn: In vielen Unternehmen und Unternehmungen ist das der kritischste Punkt. Hat das, was wir tun, wirklich Sinn? Noch ein Bankensystem, eine E-Commerce-Lösung, eine Werbeplattform – sind wir in solchen Umgebungen wirklich sicher, dass wir die Welt zu einem besseren Ort machen, wenn wir an solchen Dingen arbeiten? Ich arbeite seit knapp 30 Jahren gerne in der Privatwirtschaft und kann dort durchaus Unterschiede machen zwischen Dingen, die in Ordnung sind, solchen, die wirklich Freude machen, und solchen, an denen ich lieber nicht mitarbeiten möchte. Aber hier liegt aus meiner Sicht die größte Chance, und es ist nahezu tragisch, dass sie nicht genutzt wird: Eigentlich dürfte nichts die Sinnfrage so gut beantworten können wie eine Lösung, die der Allgemeinheit zugute kommt. Bessere Verteilung staatlicher Leistungen, weniger Bürokratie, einfachere Prozesse, besseres Gesundheitsmanagement, bessere Lösungen für Schule und Ausbildung … die Liste der Dinge, die die öffentliche Hand tut oder tun könnte, die ohne jede Frage sinnvoll sind, ist eigentlich paradiesisch. Das ist deswegen so schön, weil genau die Frage nach dem Sinn die ist, deren positive Beantwortung für Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am allerwichtigsten ist.
Was ich damit sagen will: Eigentlich müsste das Mitwirken an Lösungen im öffentlichen Dienst der tollste Job überhaupt sein. Dass es das nicht ist, ist tragisch und schadet uns allen. Und bevor mich jemand bezichtigt, auch nur einer von den »Die-da-oben-sind-alle-so-doof«-Schreiern zu sein: Das meine ich keinesfalls. Es ist unser Staat, gestaltet von den durch uns demokratisch gewählten Kräften, der hier die falschen Ergebnisse produziert, und deswegen sind wir auch alle daran mitschuld. Wir sollten das ändern. Eine Partei, die sich das auf die Fahnen schreibt, fände ich sehr unterstützungswürdig. Eine parteiübergreifende Initiative dazu noch viel mehr.